ÜBER SOLIDARITÄT UND WÜRDE

Zum Berliner Modellprojekt des Solidarischen Grundeinkommens

Michael Müller diskutiert mit Corinna Beeker
Corinna Beeker diskutiert mit dem Berliner Bürgermeister über Würde

Der Berliner Bürgermeister Michael Müller hat am 7. Februar auf Einladung der SPD-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag im Kieler Landeshaus sein Solidarisches Grundeinkommen (SGE) vorgestellt. Wir waren dabei und konnten mit ihm diskutieren. Das SGE soll eine Alternative zu Hartz IV sein und Langzeitarbeitslosen einen Weg in eine unbefristete, sozialversicherte, Beschäftigung zum Mindestlohn oder wo vorhanden, zum Tariflohn verschaffen.

Ein Modellprojekt in Berlin startet mit 1000 Arbeitsplätzen. Diese sollen wertgeschätzt sein und wurden eigens erdacht, wie z.B. Kitahilfe, Schulorganisationsassistenz, soziale Quartiershilfe, Barriefreiheitstestung und ähnliche Jobs. Diese gibt es als Berufsbild derzeit nicht und stellen deshalb auch keine Konkurrenz zum ersten Arbeitsmarkt dar. In der Arbeitszeit soll eine Weiterqualifizierung möglich sein. Sie ist freiwillig.

Bedingungslos ist dieses Grundeinkommen also nicht ganz. Daher wird es in der Szene der Anhänger des Bedingungslosen Grundeinkommens auch als Etikettenschwindel gehandelt.

Was ist der Grundgedanke? Michael Müller nennt Teilhabe statt Ausschluss und doppelte Solidarität. Solidarisch ist natürlich die Gemeinschaft in Form des Sozialstaates, der niemanden im Stich lässt. Umgekehrt soll aber auch der Empfänger von Transferleistungen sich solidarisch mit der Gemeinschaft zeigen und für diese arbeiten.

Uns erinnerte das an das bekannte und umstrittene Fördern und Fordern, das der SPD wie ein Mühlstein um den Hals hängt. Wie würdevoll ist es, in einer Schule die Unterrichtsräume vorzubereiten oder aufzuräumen um Lehrer zu entlasten, wenn man selbst vielleicht Personalverantwortung getragen hat?

Soziale Dienste sind wichtig und ganz bestimmt auch nicht würdelos. Auch als Arbeitsbeschaffungsmassnahme und Qualifizierungsmodell ist das SGE zu begrüßen. Dennoch stellt sich die Frage nach unserem Verhältnis zur Arbeit als anscheinend einzigem Weg zu Würde und Teilhabe. Es gibt viele Gründe, nicht arbeiten zu können oder gar zu wollen. Auch diese Menschen sind Teil der Gesellschaft – mit Anspruch auf Solidarität und Würde – auch wenn es für ihren Beitrag keine Kategorien zur Bezifferung ihres Wertes gibt. Wäre darauf nicht ein „Bedingungsloses Grundeinkommen“ eine Antwort?

 

Michael Müller und Jan-Christoph Schultchen im Kieler Landeshaus
Michael Müller stellt in Kiel sein Modellprojekt SGE vor